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Verantwortung für unsere Taten übernehmen

Verantwortung für unsere Taten übernehmen

Im Jahre 1453 n. Chr. war die belagerte Stadt im Begriff, ohne jegliches Blutvergießen zu kapitulieren. Doch drei venezianische Kriegsschiffe kamen mit Verstärkung, und der muslimischen Flotte unter dem Kommando des türkischen Admirals Süleyman Baltaoglu misslang es, die Verstärkung davon abzuhalten, in den Golf von Konstantinopel zu gelangen. Der osmanische Sultan Muhammad II. (auch bekannt als Al-Fâtih oder Mehmet II.) war sehr erzürnt über Baltaoglus Misserfolg, seine Anordnungen auszuführen, die venezianischen Kriegsschiffe von der Einfahrt in den Golf von Konstantinopel abzuhalten und die Kanonenkette zu bewachen, die die Byzantiner verwandten, um die muslimische Flotte davon abzuhalten, in den Golf der Stadt einzufahren. Baltaoglu wurden seine Titel aberkannt und er musste sich für sein Versagen vor Gericht verantworten. In der Zwischenzeit musste der neu ernannte Kommandeur einen Plan ausarbeiten, um die muslimische Flotte an der Kette vorbeizubringen und die drei Kriegsschiffe innerhalb von 48 Stunden niederzubrennen.

Dies ist ein flüchtiger Einblick in die Prüfungen, mit denen Sultan Muhammad II. sich bei seinem Kampf um die Eroberung Konstantinopels – heute bekannt als Istanbul – konfrontiert sah. Als ich Bücher las und mir Dokumentarfilme über sein Leben und seine Errungenschaften ansah, war diese Geschichte für mich am schwierigsten zu akzeptieren. Ich reagierte genauso wie viele, mit denen ich geredet hatte: „Oh, das ist aber hart!“ Wir sind es so sehr gewohnt, die Frage „Wie kannst du über Menschen urteilen, wenn doch einzig Allâh ihre Absichten kennt?!“ zu hören, dass wir zwischen der Beurteilung von Menschen und der Haftbarmachung derselben nicht mehr unterscheiden.

Gepriesen sei Allâh! Wir vergessen, dass dieser Sultan und dessen Armee 800 Jahre zuvor vom Propheten (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) beschrieben worden sein könnte:

Allâhs Gesandter (möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken) sagte: „Konstantinopel wird gewiss erobert werden, und welch großartiger Emir doch deren Emir ist und welch großartige Armee doch diese Armee ist!” (Musnad des Imâms Ahmad).

Dass der Prophet den Sultan Muhammad II. und dessen Armee gepriesen haben könnte, wirft ein völlig neues Licht auf diese Geschichte. Anstatt zu denken, wie „hart“ Al-Fâtih mit Baltaoglu umging, sollte man darüber nachdenken, welch hohe Leistungsnorm der Sultan und seine Armee für sich selbst beanspruchten!

Manchmal lassen wir Fehler durchgehen, obwohl sie anderen schaden. Dabei benutzen wir das Alibi, dass wir nicht hart oder wertend sein wollen. Doch egal ob es bewusst getan wird oder nicht, lassen wir den Fehler durchgehen, weil wir ebenfalls nicht dafür bestraft werden wollen, wenn wir denselben Fehler begehen. Leider führt diese Kultur der Unverantwortlichkeit und schwachen Normen zu vielen Einbußen in unserer Gemeinschaft. Vom Halten unqualifizierter Einzelpersonen in Macht- und Verantwortungspositionen bis hin zum Erlauben, dass unsere Kinder aggressiv miteinander umgehen, was als „Herumalbern“ durchgelassen wird, lediglich um später zu erkennen, dass diese aggressiven Eigenschaften stärker werden.

Göttliche Führung bei Verantwortung und Gerechtigkeit

Als Menschen kennen wir die Absichten anderer nicht. Deshalb können wir uns nur durch unsere Taten gegenseitig zur Verantwortung ziehen. Andererseits ist Allâh (der Hocherhabene) allwissend und richtet über unsere Taten entsprechend der Absicht und der verwandten Mittel. Sein Urteil ist jedoch nicht auf die Absicht beschränkt, da Er einen hohen Gerechtigkeitsstandard und Unverfälschtheit für die Taten der Gläubigen aufgestellt hat.

„O die ihr glaubt, seid Wahrer (der Sache) Allâhs als Zeugen für die Gerechtigkeit. Und der Hass, den ihr gegen (bestimmte) Leute hegt, soll euch ja nicht dazu bringen, dass ihr nicht gerecht handelt. Handelt gerecht. Das kommt der Gottesfurcht näher. Und fürchtet Allâh. Gewiss, Allâh ist Kundig dessen, was ihr tut“ (Sûra 5:8).

In diesem Vers bindet Allâh der Hocherhabene uns an den höchsten Gerechtigkeitsstandard: Wir sollen selbst mit Menschen, die wir hassen, gerecht umgehen. Zudem ordnet Er uns an, gerecht zu sein, selbst wenn die gewahrte Gerechtigkeit gegen uns selbst oder unsere Familien sein sollte.

„O die ihr glaubt, seid Wahrer der Gerechtigkeit, Zeugen für Allâh, auch wenn es gegen euch selbst oder die Eltern und nächsten Verwandten sein sollte! Ob er (der Betreffende) reich oder arm ist, so steht Allâh beiden näher. Darum folgt nicht der Neigung, dass ihr nicht gerecht handelt! Wenn ihr (die Wahrheit) verdreht oder euch (davon) abwendet, gewiss, so ist Allâh dessen, was ihr tut, Kundig“ (Sûra 4:135)

Als Belohnung für diejenigen, die gemäß des hohen Standards rechtschaffener Taten und integeren Verhaltens leben und dabei den Glauben verinnerlichen, verspricht Allâh der Hocherhabene Erfolg im Diesseits und im Jenseits. Wir bemerken, dass Allâh der Hocherhabene wiederholt die Rechtschaffenen im Qurân zum einen als diejenigen, die glauben, und zum anderen als die, die rechtschaffene Taten verrichten, beschreibt. Allâhs Urteil umfasst sowohl die Taten als auch die Absichten.

„Wer rechtschaffen handelt, sei es Mann oder Frau, und dabei gläubig ist, den werden Wir ganz gewiss ein gutes Leben leben lassen. Und Wir werden ihnen ganz gewiss mit ihrem Lohn das Beste von dem vergelten, was sie taten“ (Sûra 16:97).

Demnach verspricht Allâh der Hocherhabene, denjenigen, die glauben und gemäß dem hohen Standard der Rechtschaffenheit leben, darüber hinaus einen höheren weltlichen Rang.

„Allâh hat denjenigen von euch, die glauben und rechtschaffene Werke tun, versprochen, dass Er sie ganz gewiss als Statthalter auf der Erde einsetzen wird, so wie Er diejenigen, die vor ihnen waren, als Statthalter einsetzte, dass Er für sie ihrer Religion, der Er für sie zugestimmt hat, ganz gewiss eine feste Stellung verleihen wird, und dass Er ihnen nach ihrer Angst (, in der sie gelebt haben,) statt dessen ganz gewiss Sicherheit gewähren wird. Sie dienen Mir und gesellen Mir nichts bei. Wer aber danach ungläubig ist, jene sind die (wahren) Frevler“ (Sûra 24:55).

Im weiteren Verlauf der Geschichte Sultan Muhammads II. und dessen Armee sehen wir ein Beispiel dafür, wie Allâh der Hocherhabene für diejenigen, die sich an eine hohen Standard der Rechtschaffenheit halten, Angst durch Sicherheit ersetzt. Es ist verblüffend zu sehen, wie ihnen der Sieg gewährt wurde, nachdem es ihnen misslungen war, die venezianischen Schiffe abzufangen.

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